Roco V 100

1. Messobjekt

Eines Tages holte ich meine H0-Diesellok 212 058 (Roco Kat. Nr. 62827) aus der Schachtel, wo sie einige Jahre verbracht hatte. Sie sollte einen Personenzug bestehend aus 4 dreiachsigen Umbauwagen ziehen. Auf gerader Strecke funktionierte das noch, aber in Kurven mit 36 cm Radius blieb die Lok mit durchdrehenden Rädern stecken. Die Ursache war schnell gefunden. Die beiden Haftreifen waren nicht mehr vorhanden bzw. lagen zerbröselt neben dem Gleis. Das war eine gute Gelegenheit, die erschreckend niedrige Zugkraft zu messen und danach mit der Zugkraft mit neuen Haftreifen (Roco 40068) zu vergleichen.  

 

 

 

 

2. Messmethode

Federwaage Übersicht 1Federwaage Übersicht 2Aussagen wie „Die Lok A schafft auf der Steigung auf meiner Anlage 6 Wagen, aber die Lok B schafft nur 4 Wagen“ sind zu ungenau und nicht auf anderen Anlagen reproduzierbar. Daher habe ich vor einigen Jahren eine Zugkraft-Messanlage gebaut, mit der eine quantitative Aussage möglich wird. Die wesentlichen Komponenten sind ein Holzgerüst, eine Umlenkrolle, eine Federwaage und ein Bindfaden. Die Federwaage hat einen Messbereich von 200 Gramm (entsprechend einer Zugkraft von 2 Newton) und ist schwierig zu beschaffen. Die zu messende Lokomotive versucht nach links wegzufahren, kommt aber nur so weit, bis ihre Zugkraft durch die Federwaage aufgewogen wird.

 

Federwaage Übersicht 3Federwaage Übersicht 4 

 

3. Messergebnisse

Die Zugkräfte wurden bei 5 Drehzahlen (10%, 25%, 50%, 75%, 100% der Höchstgeschwindigkeit) und in beiden Fahrtrichtungen gemessen. Die Ergebnisse sind im nachfolgenden Diagramm zu sehen.Zugkraft-Diagramm

  • Es fällt auf, dass die Zugkraft bei höherer Drehzahl größer ist als bei niedriger Drehzahl. Das stimmt mit Modellbahnererfahrung überein: Wenn ein Zug in einer Steigung stecken zu bleiben droht, dreht man instinktiv den Fahrregler auf Höchstdrehzahl und oft schafft es der Zug dann gerade noch über den Berg.

  • Erwartungsgemäß ist die Zugkraft ohne Haftreifen geringer als mit Haftreifen. Die höchste mittlere Zugkraft ohne Haftreifen beträgt ca. 0,28 N (entsprechend 28 Gramm), mit Haftreifen dagegen ca. 0,79 N (entsprechend 79 Gramm). Das Lokgewicht beträgt 313 g. Der Reibwertfaktor µ =Zugkraft/Gewicht beträgt 0,09 bzw. 0,25.

  • Es fällt auf, dass bei Rückwärtsfahrt (gepunktete Linien) die Zugkraft geringer ist als bei Vorwärtsfahrt. Ohne Haftreifen ist der Unterschied relativ gering, mit Haftreifen jedoch sehr deutlich. Der Grund dafür liegt an der unsymmetrischen Installation. Beide Haftreifen sind auf Achse 4 montiert. Durch die am Zughaken wirkende Kraft wird ein Kippmoment bewirkt, wodurch das hintere Drehgestell stärker und das vordere entsprechend geringer belastet wird. Wenn die die Zugkraft verbessernden Haftreifen in Fahrtrichtung vorne liegen, tragen sie weniger zur Zugkrafterhöhung bei als wenn sie in Fahrtrichtung hinten liegen. Zum Vergleich habe ich die Zugkraft der sehr ähnlichen Diesellok 211 (Roco Kat. Nr. 43644) in beiden Fahrtrichtungen gemessen. Obwohl sie wie die 212 auch 2 Haftreifen hat, ist ihre Zugkraft in beiden Fahrtrichtungen fast gleich. Das liegt daran, dass die beiden Haftreifen symmetrisch angeordnet sind, nämlich der eine auf Achse 1 und der andere auf Achse 4.

 

4. Zusammenfassung

Durch den Verlust ihrer beiden Haftreifen sank die Zugkraft der gemessenen Lokomotive auf 1/3 des normalen Wertes. Bei anderen Lokomotiven dürfte der Zugkraftunterschied ähnlich sein.

 

Hinweis
Die Abbildungen vergrößern sich, wenn man darauf klickt.